Hintergründe der Kliniken
Die Qualität öffentlicher Institutionen bildet einen entscheidenden Maßstab für den Entwicklungsstand einer Gesellschaft. In Zeiten des Bevölkerungswachstums gegen Ende des 19. Jahrhunderts zeichnete sich in Wien im Vergleich zu anderen europäischen Städten eine der niedrigsten Spitalbettenzahlen pro Kopf ab. Dies unterstrich die Dringlichkeit, Räumlichkeiten für zeitgemäße Heiltechniken zu schaffen. Trotz einer nur fragmentarischen Umsetzung der Neuen Kliniken verkörpern die entstandenen Bauten den damals modernsten Stand in Medizin und Bautechnik.
Fortschritt im Innenraum
Die Einbindung von Räumen für Forschung und Lehre stellt eine bautypologische Besonderheit dar, wie im Raumprogramm deutlich wird. Dies umfasst sowohl Räume für die Pflege und Behandlung der Kranken als auch Lehr- und Forschungseinrichtungen. Die Befürwortung des Pavillonsystems führt zu einer Kombination von Korridor- und Pavillonbauweisen. Der häufigste Typus besteht aus einem Längstrakt mit drei Querflügeln. Das Erschließungskonzept sieht Tagräume zwischen den Trakten vor, die sowohl als Aufenthaltsräume für Kranke als auch als Verteilerräume für Korridore, Stiegenhäuser und Personenaufzüge dienen.
Pavillonkonzept - der Generalplan Franz Bergers
Für die ursprüngliche Planung der Neu- en Kliniken wurde das Pavillonsystem gewählt. Dies sollte zu Beginn durch kleinere, parallel situierte Gebäude funktionieren. Im Verlauf der Planung entschied man sich allerdings für eine kompaktere Bauweise. Hier wurden große Baukörper um großzügige Grünflächen gruppiert. Der Generalplan von Franz Berger teilt das Areal in zwei Teilbereiche mit eigenen Achsensystemen. Diese Sektion wird durch die von Beginn an geplante Verbindungsachse zum Gürtel hergestellt. Die Bauten der Frauenkliniken sind auf die östliche Spitalgasse ausgerichtet, während die übrigen Gebäude von der südlichen Lazarettgasse erschlossen werden.
Pavillonkonzept - der Generalplan Emil von Försters
Ab 1907 veränderte Emil von Förster den Generalplan, wobei die grundlegende Anordnung der Funktionen beibehalten wurde. Es kam vor allem zur Verschiebung und Spiegelung einzelner Baukörper, um geschlossene Garten- und Hofanlagen zu ermöglichen. Entgegen der ursprünglichen Planung sind die Gebäude nun nicht paral- lel gereiht, sondern in Höfen am Raster ausgerichtet.In der ersten Bauperiode entstanden bis 1908 die Frauenkliniken. Die 1911 fertiggestellte zweite Bauphase umfasste die I. Medizinische Klinik, die Klinik für Kehlkopf- und Nasenkrankheiten sowie die Kinderklinik.
Entfernung vom Generalplan
Die dritte Bauperiode begann 1912, wurde allerdings durch den Ausbruch des Ersten Weltkriegs erschwert. Es gab Mangel an Materialien, Geldproblemen sowie eine gesunkene Leistungsfähigkeit. Die Finanzierung weiterer Klinikneubauten war nicht gesichert und man entschied sich für Umbaumaßnahmen. Trotz des Geldmangels wurde 1919–1920 am Konzept festgehalten und Wettbewerbsentwürfe angekauft. Bereits für diesen Wettbewerb ist man vom eigentlichen Generalplan abgekommen und hat städtebauliche Konzepte freigestellt. Der einzige bekannte Entwurf ist von Rudolf Perco, keine Planung wurde allerdings umgesetzt. Es entsteht eine fragementarische Anlage.
Verlust der Verbindung
Bereits nach dem ersten Weltkrieg ist der zugrundeliegende Masterplan veraltet. Die ab den 1960er Jahren erbauten AKH Gebäude gehen von einem veränderten Bebauungsplan aus. Das ursprüngliche Gestaltungskonzept wird zerstört, ohne einen geeigneten Ersatz zu finden. Ursprünglich für die bessere Heilung angedachte qualitätsvolle Freiräume gehen verloren.Die übriggeblieben Fragmente des Generalplans der Neuen Kliniken rücken durch den Verlust der Verbindung zum Gürtel in den Hintergrund. Die Gebäude geraten in Vergessenheit und verfallen dort jahrzehntelang.
Die heutigen Fragmente
Trotz sukzessiv bis heute realisierter Zu- und Neubauten bleibt der fragmentierte Charakter am Brünnlfeld bestehen. Die gewaltigen Dimensionen des neuen Hauptgebäudes sorgten schon ab seiner Fertigstellung für neue Tatsachen. Ursprünglich angestrebte infrastrukturelle Verknüpfungen von Gürtel und Umgebung waren nun nicht mehr möglich. Im Schatten des Fortschritts war somit die jahrzehntelange Verwahrlosung des historischen Bestandes an der Öffentlichkeit vorbei erst möglich. Mit Stand 2023 hat sich das AKH Areal vom ursprünglichen grünen Heilungszentrum zu einem undurchdringbaren, innerstädtischen Betonarchipel entwickelt.
Zukunft für das AKH?
Seiner eigentlich großzügig geplanten Freiflächen beraubt, fehlt es der ehemaligen Kinderklinik heute an Identität und damit einer Daseinsberechtigung. Verfallen und verdrängt von Baustellen und schwerem Gerät verkörpert sie in Form eines befremdlich daherkommenden Kuriosums den Abklang einer längst vergangenen Zeit. Die Frage, ob die Erhaltung lohnenswert sein könnte, stellt sich somit nicht einmal. Auch die zukünftigen Neubauten werden sich trotz allem Prestige nicht aus dem Schatten des AKHs befreien können.